Ferienerlebnisse

von | 18. Aug. 2019 | Journal

‘ Träume ich oder sitze ich nun wieder an meiner Schulbank in der Schule St. Peterzell? ’ schoss es mir durch den Kopf, als ich am Montagmorgen in Gedanken versunken auf eine schwarze Wandtafel vor mir starrte.

Lehrer Geiger hatte eine frische neue Kreide aus der weissen Schachtel gezogen und etwas auf diese schwarze Tafel geschrieben.

‘Ferienerlebnisse’ stand fein säuberlich in grossen weissen Buchstaben geschrieben.

Ferienerlebnisse!

Es war der wohl schönste Teil der Schule, wenn wir nach den Ferien erzählen durften, was wir erlebt hatten.

Doch damals war es mir irgendwie peinlich. Denn wir verbrachten oft fünf Wochen der Sommerferien zuhause in St. Peterzell.

Oft zogen wir die Bächlistrasse hinauf an den ‘Mannägumpä’ oder die Hauptstrasse runter an den Wasserfall, versteckt hinter dem Hotel Schäfli und der Sägerei Bösch. Beide ‘Gumpen’ sind Teile des Flusses Necker, der dem Tal den Namen gibt.

Tag für Tag packten wir unsere Badetücher, ein paar Cervelats und Brot sowie die grossen, schwarzen Lastwagenpneuschläuche und tingelten damit an den Fluss.

Dort breiteten wir unsere Badetücher auf dem grossen Stein aus, lagen faul in der Sonne oder tollten stundenlang im Wasser. Irgendwann knüpften wir einen alten Kälberstrick an eine Wurzel oberhalb einer Steinplatte, hangelten uns rauf und sprangen in den Tümpel.

Auch vom Wasserfall machten wir die schönsten «Arschbomben» des ganzen Tales.

In beiden `Gumpen` beobachteten wir stundenlang Bachforellen. Nie haben wir es geschafft, so einen Fisch zu fangen. Ist auch besser so, denn wir hätten eh nicht gewusst, was wir mit den zappelnden Viechern anzufangen hätten.

Ältere Mädchen aus der Sekundarschule brachten uns das Schwimmen bei. In beiden Tümpeln reichte es gerade für zwei oder drei Züge Brustschwimmen. Doch es reichte, um das `nicht ertrinken` zu üben!

Nah dem ‘Mannägumpä’ war der Pflanzgarten des Försters Brändle. Da konnte man gut verstecken spielen. Wir mussten nur aufpassen, dass der strenge Förster das nicht merkte. Wahrscheinlich war der Schaden grösser, den wir Jungs anrichteten, als sämtlicher Wildschaden zusammen.

Da der Landgasthof der Eltern an einem Tag unter der Woche geschlossen hatte, gab es manchmal einen Ausflug auf einen Berg in der Gegend. Wir durften mit der Standseilbahn auf den Iltios und mit der Luftseilbahn auf den Chäserugg, auf die Wolzenalp mit der Sesselbahn, im Toggenburg. Mit der Seilbahn liessen wir uns auf den Kronberg oder die Ebenalp im Appenzellerland fahren. Dann wurde oben ein kräftiges Fleischplättli genossen und zu Tal ging man zu Fuss. Den Säntis durften wir eher nicht besuchen. Das war etwas für die `Mehrbesseren`, weil es doch ziemlich teuer sei, meinten unsere Eltern!

Später, als wir bereits eigene Velos hatten, so mit zehn oder zwölf Jahren, machten wir eine Velotour nach Wasserauen und wanderten an den Seealpsee. Nur wir, alles Jungs aus der Nachbarschaft. Das war Abenteuer pur. Wir sprangen in den eiskalten See und radelten gut gelaunt wieder nachhause.

Nun sass ich also da und sollte von meinem schönsten Erlebnis der Sommerferien erzählen. Da hörte ich die Geschichten der anderen Kinder. Eine Wanderung auf die Wilket nahe bei St. Peterzell, nach dem Heuen. Endlich hätte der Vater Zeit gehabt. Ein Ausflug an den Bodensee, weil es doch so heiss war. Und die Mutter hätte sich gefreut, dass sie mal nicht kochen müsse.

Ich atmete auf und war erleichtert. Fast alle im Tal waren in den Ferien zuhause gewesen und hatten kurze Ausflüge gemacht.

Heute weiss ich, was für ein Privileg es war, dass wir wochenlang einfach tun und lassen konnten, was wir wollten. Ich spüre das Prickeln des eiskalten und sauberen Flusswassers des Neckers auf meiner Haut, höre die Vögel singen und könnte jauchzen vor Freude.

Übermorgen Mittwoch laden wir zur Barbecue Tavolata ein. Wir werden das Barbecue nicht draussen geniessen können, doch das macht an der Qualität keinen Abstrich.

Es hat noch einige freie Plätze. Rufen Sie ungeniert an.

Ich freue mich auf Sie.

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