Das Klavier!

von | 10. Nov. 2019 | Journal

Mit einem Text eines Liedes von Udo Jürgens endete meine letzte Geschichte.
Mit einem Text fängt diese Geschichte an:

Was ich dir sagen will, fällt mir so schwer.
Das Blatt Papier vor mir bleibt weiß und leer.
Ich find’ die Worte nicht, doch glaube mir:
Was ich dir sagen will, sagt mein Klavier.

Als ich gestern durch den frisch verschneiten Flimser Wald hüpfte und flowte, sang das Lied den ganzen Trail in mir. Es war irgendwie komisch, denn ich lief mit ganz anderen Gedanken los.
War ich mir doch sicher, dass es das letzte Mal sein würde, dass ich durch den Wald rennen könne für dieses Jahr. Es hatte bereits geschneit in Laax und die Berge rundherum strahlten im gleissenden Sonnenlicht vor dunkelblauem Himmel. In einigen Tagen würde mein Pfad eingeschneit sein und die Tannen und Bäume in weissen Kleidern am Wegesrand stehen.

Plötzlich hörte ich mich laut lachen. Ich dachte mir nämlich, dass ich doch gar kein Klavier hätte, mit dem ich sagen könnte, was gerne sagen würde.

Da kam mir eine lustige Geschichte in den Sinn.

Während drei Saisons arbeitete ich im Grand Hotel Hof in Bad Ragaz als ‘Commis de Cuisine.’ Als ‘Commis’ bist du auf der untersten Stufe der Hierarchie in der Hotelküche. Eigentlich wären Lehrlinge und Abwäscher noch weiter unten, doch da diese Mitarbeiter meistens bereits länger dort arbeiteten, wussten sie Bescheid, kannten alle Kniffe und Besonderheiten des Arbeitsplatzes, was dir als Frischling, als ‘Commis de Cuisine’ fehlte.

So kam es wie es kommen musste, du warst in den ersten Wochen das Mädchen für alles.

Während so einem Mittag- oder Abendservice ging es hoch zu und her.

Am Pass stand der Chef de Cuisine und in preussischem Befehlston ‘annoncierte’ er die Bestellungen, die ihm die Chefs de Service brachten:

‘Deux fois le poisson, trois fois la viande – aufpassen für die Äbtestube: 1er dreimal Foie Gras! Garde Manger, wären Sie auch so nett mit ‘Ja’ zu antworten!

Was macht ihr faulen Säcke dahinten, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bitte! Also, dreimal die Foie gras, zwei Hummer, 2ème Chateuabriand für drei Gäste saignant, Beilagen Kartoffel – Kroketten, und alles was dazu gehört, zweimal das Lamm!

Vorwärts Leute!

Wo sind die drei La Suite Viande für den Saal?’

So ging es über zweieinhalb Stunden. Jeder quittierte die Bestellungen mit einem lauten ‘Ja’! Und wenn der Chef das Gefühl hatte, man hätte keine Antwort gegeben, flog irgendetwas in deine Richtung mit eben einem: ,Würden Sie da hinten auch mal den Finger raus nehmen!’ Der Ton war hart, es war unglaublich heiss am Herd, an dem auf jeder Seite acht grosse, schwarze Herdplatten glühten. Unsere Kochblusen hatten doppelten Stoff vorne, damit die Hitze erträglich war.

Die Hände verbrannten wir uns trotz dicken ‘Torchons’ täglich an den Töpfen, die wir aus den heissen Öfen unter dem Herd zu nehmen hatten.
Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit hiess es plötzlich: ‘Ok, das wars, ‘Debarrasser’, putzt das Klavier!’

24 Köche und Köchinnen holten Kupferbletze, Lappen und Seife und mit richtig viel Wasser wurde das Klavier, so nannten wir eben den riesigen Kochherd, sowie die Arbeitsflächen sauber gereinigt.

Dann Feierabend und ab ins ‘Pflutsch’, das war unsere Stammbeiz, zum Feierabendbier. Dort trafen wir dann die Köche aus den anderen Hotels und meistens wurde es ziemlich spät…
Das Klavier, daran musste ich während meinem Lauf durch den Flimserwald denken, darum hörte ich mich plötzlich laut lachen.

Das Klavier, das Lied von Udo Jürgens!

Mein Klavier ist also meine Möglichkeit auszudrücken, was ich sagen will!

Eine bekannte PR Beraterin lachte mich unlängst aus: ‘Du mit deinen Kindergeschichten. Das ist doch Quatsch. Du musst so schreiben, dass die Gäste aktiv werden, dass sie ins Rias kommen. Denn sonst nützt es gar nichts, wenn du diese Geschichten schreibst! ’

Ich bin ganz anderer Meinung. Ich schreibe meine Geschichten ohne die Idee, dass jemand etwas tun muss. Wenn meine Gäste daran Freude haben, ist es gut. Eine andere Idee hatte ich nie!

Und wenn Sie, liebe Gäste, dann ins Rias kommen, schreibe ich auf meinem Klavier mit meinen Speisen andere Geschichten.

Geschichten von Wohlfühlgerichten, die Ihnen gefallen!

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!

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