Timberline Lodge – Cascade Looks

von | 19. Aug. 2022 | Allgemein, Pacific Crest Trail, Pacific Crest Trail PCT

15. August 2022 – 18. August 2022 km 3’367 – km 3’477

Cascade Looks im Ausnahmezustand. Die Party ist in vollem Gang. Es ist schwül und heiss. Pacific Crest Trail Thru Hiker überfluten die kleine Stadt am Ufer des Columbia River mit seinem Wahrzeichen der ‘Bridge of the Gods’. Heute Freitagnachmittag und samstags sind PCT Days.

Wir sitzen auf der Terrasse der Thunder Island Brewing Co in Cascade Looks und schauen dem bunten Treiben zu. Heute schmeckt der Burger richtig gut. Die Pommes knuspern im Mund und das Bier rinnt angenehm die ausgetrocknete Kehle hinunter. Auf der Tanzfläche ist der Teufel los. Jung und alt swingt und tanzt zu eingängigen Discoklängen.

Die etwas speziellen Kleider verraten, dass es sich um PCT Thru Hiker handelt. Denn jeder ist darauf bedacht im Rucksack möglichst nichts mitzuführen, was unnötig Gewicht bringt. Trotzdem bewegen sich nicht wenige der Hikerinnen im engen und recht kleinen, farbigem Kleid.

Am Montag habe ich mich wieder auf den Trail gemacht. Schon nach wenigen Kilometern wusste ich, dass ich es vermisst hatte. Es tat gut durch die Wälder von Oregon zu wandern. Die Timberline Lodge ist ein Hingucker. Leider momentan total überlaufen von Touristen und Wanderern. Ich schaute mir das Kommen und Gehen einige Minuten an. Doch es hatte einfach zu viele Menschen auf zu engem Raum. Ich würde im Herbst mit meiner Traumfrau noch einmal hierher fahren um alles in Ruhe zu betrachten.

In der Lodge können sich PCT Hiker am ‘all you can eat’ Buffet zum Frühstück oder Lunch verpflegen. Manch einer hat sich schon so gut verpflegt, dass er sich auf der nächsten ‘Tentsite’ hinlegen und erholen musste.

Die Lodge ist vor allem berühmt aus dem Film ‘The Shining’. Der Horrorfilm und Kassenschlager wurde 1980 gedreht. Jack Nicholson spielte die Hauptrolle. Regisseur war Stanley Kubrick. Verfilmt wurde in diesem Werk das Buch von Stephen King. Die Geschichte spielt in Colorado. Doch für die Aussenaufnahmen wurde die Timberline Lodge in Oregon gewählt.

Ich wanderte weiter. Der Trail schlängelt sich durch den Wald von Oregon. Die Tannen sind bis unter die Spitzen mit grünem Flechten bewachsen. Es ist schattig und trotzdem heiss. Von 2000 m wird es in den nächsten Tagen rauf und vor allem runter bis auf 60 m über Meer gehen.

Während drei Tagen liegt der Mount Hood immer rechts von mir. Ich umrunde den ganzen Berg. Am dritten Tage grüssen die weissen Gipfel von Mount Rainier, Mount St. Helens und Mount Adams aus Washington State. Vor allem der Mount St. Helens machte vor 42 Jahren – genau 1980 – auf sich aufmerksam, mit dem stärksten Vulkanausbruch des 20. Jahrhunderts. Seit über 500 Jahren war der Vulkan nicht mehr aktiv.

Der Trail ist unterdessen zum Highway, nein zur Interstate mutiert. Dauernd kommen Hiker entgegen oder schnelle PCT Hiker wollen überholen. Es sind sehr viele Wanderer auf dem Weg. Einerseits Day Hiker, aber nun auch viele Thru Hiker, die durch das überspringen der Feuer an der Grenze zu Californian und Oregon nun in richtigen ‘Bubbles’ unterwegs sind. Hiker die mir entgegen kommen erzählten, dass sie an manchen Tagen bis zu hundert Hiker gekreuzt hätten. Ich denke, es hat auch mit den PCT Days zu tun.

Nach zehn Kilometern baue ich mein Zelt auf. Ich schlafe wunderbar. Mein Schlaf ist so tief, dass ich erst durch das Rascheln im Zelt von Urs aufgeweckt werde. Ich habe Urs an meinem ersten Wandertag in Oregon kennen gelernt. Er ist pensionierter Agronom Ingenieur. Den PCT wandert er seit Sonora Pass bis zur kanadischen Grenze. Dies nachdem er sich diesen Traum zu seiner Pensionierung vor zwei Jahren erfüllen wollte. Doch damals machte ihm die Corona Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Drei Tage vor seinem Abflug wanderte die Welt in den Lockdown.

Eigentlich hatten wir abgemacht, dass wir morgens um halb sieben los wollten. Doch er musste sich allein auf den Weg machen, da ich verschlafen hatte.

Ich wanderte durch den grünen Wald. Es wurde kaum richtig hell. So dicht standen die Tannen. Dann plötzlich lagen die riesigen Bäume kreuz und quer über dem Trail. Rucksack ausziehen, unter dem Baum durchschieben, sich selber durchzwängen. So ging es einige Stunden. In einer Lichtung, nahe einem kleinen Bach bauten wir unsere Zelte auf. Wieder schlief ich tief und fest.

In der Nacht tröpfelte es aufs Zelt. Als es morgens um halb sechs nochmals zu regnen schien, bestellte ich über Garmin InReach den Wetterbericht. Es würde ab halb sieben regnen. Ich beeilte mich, meine Siebensachen einzupacken um auf den Trail zu kommen. Denn ich wollte vermeiden, dass ich ein nasses Zelt einrollen müsste. Es hat den ganzen Tag nicht geregnet.

In einer Lichtung traf ich auf eine Familie mit drei Kindern. Sie sind seit dem 23. März auf dem Pacific Crest Trail. Ich war begeistert, denn ich folgte dieser Familie seit ihrem Start auf Instagram. Die Eltern sind 31 Jahre alt. Die unglaublich herzigen Kinder sind zwei, drei und fünf Jahre alt. Als wir sie fragten wie alt sie den seien antwortet der mittlere Junge Joshua: ‘I’m tree years, but almost four!’ Dabei hob er seinen Zeigefinger in die Höhe und schaute mich mit ernstem Blick an. Ich hatte Tränen in den Augen. Die Kinder vertrieben sich die Zeit und spielten zusammen. Ihr Spielzeug bestand aus Steinen, Holz oder Blättern. Es war magisch! Wenn es dir möglich ist, folge der Familie auf Instagram. Sie sind unter dem Nicknamen ‘daleywalk’ zu finden.

Wir entschlossen uns einen Side Trail des PCT zu wandern. Es ging steil bergab. Oft schlitterten wir mehr durch die mit Asche durchtränkte Erde, als wir wandern konnten. Es war eine ‘Burning Area’. Doch der Trail führte uns zu wunderschönen Wasserfällen. Ein Wasserfall schoss Dutzende Meter über eine Felswand. Der Trail führte hinter dem Wasserfall durch. Ein sehr spezielles Erlebnis.

Nach drei Tagen kam ich in Cascade Looks an. Nun hatte ich den kleinen Teil, den ich in Oregon wanderte, hinter mir gelassen. Samstags geht es weiter über die ‘Bridge of the Gods’ – die Brücke der Götter – nach Washington State. Es wird ein magischer Moment sein. Denn hier beendete Cheryl Strayed im Buch ‘Wild’ ihren Trail. Es wird die letzte Etappe auf meinem Trip sein. Und ich freue mich darauf. Es ist ein spezielles Gefühl. Keine Ahnung, ob oder wie ich mich verändert habe. Ich fühle einfach unendliche Dankbarkeit. Ich habe so viel erlebt und unglaubliche Menschen kennen gelernt. Und wenn ich es noch nicht gelernt habe, dann wird es mich mein ganzes Leben begleiten: I hike my own Hike! Mit Tränen in den Augen!

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